Ein Dialog über chronische Aufschieberitis – so kriegen Sie Ihren Zeitplan wieder in den Griff
Eine von vielen Anfragen, die uns täglich erreichen: „Ich bin Deutschlehrerin und habe oft Berge von Aufsätzen zu korrigieren. Obwohl ich das Korrigieren nicht richtig hasse und manchmal sogar amüsant finde, schiebe ich es stets solange auf, bis ich wahnsinnig unter Druck stehe.
1.000 Einwände finde ich, um die Aufschieberei zu entschuldigen: Meist fühle ich mich zu müde und will das Korrigieren in einem erholten Zustand erledigen. Oder es gibt andere Dinge, die erst einmal Vorrang haben. Oder mir graust es einfach, weil ich nicht weiß, wie ich effektiv, gerecht und fehlerfrei korrigieren kann. Irgendwann wird es soweit kommen, dass ich mich überhaupt nicht mehr zum Korrigieren aufraffen kann und meinen Dienst quittieren muss.“
Aufschieberitis ist keine Katastrophe
Werner Küstenmachers Antwort: „Liebe Frau Stapler (der Name ist natürlich geändert), bitte beenden Sie als erstes Ihre negativen Prophezeiungen („… dass ich meinen Dienst quittieren muss“). Sie schieben die Dinge vor sich her, weil das gut für Sie ist. Und weil Sie gut sind. Sie sind gut unter Druck. Sie brauchen diesen Kick. Aufschieberitis ist ein Mittel, um Aufgaben prickelnd zu machen.
Aufschieberitis ist ein Hilferuf
Aufgaben aufzuschieben ist ein Zeichen für Überlastung. In allen Berufen ist die Belastung in den letzten Jahren im Schnitt um 30 % gestiegen. Das Ich-kann-nicht-mehr-Syndrom wird in unserem Land zunehmend zum Lebensfeind Nummer 1. Sie sind gut in Ihrem Beruf, aber Sie bräuchten mal eine Pause aus der Tretmühle. Nicht nur Ferien, sondern eine echte Auszeit. Das geht meistens aber nicht. So schafft sich Ihr Unterbewusstsein kleine Freiräume, die durch das Aufschieben entstehen.
Aufschieberitis kann Leben retten
Auch wenn es sich schmerzlich anfühlt – mit diesem Schlendrian hat Sie Ihr innerer Schweinehund vielleicht schon vor so manchem Herzinfarkt oder Hörsturz bewahrt. Wirklich gesund ist das allerdings nicht, es ist eine Notmaßnahme Ihrer Einheit von Seele und Körper. Überlassen Sie diese Aktivität aber nicht Ihrem Unterbewusstsein, sondern schaffen Sie sich Freiräume bewusst. Folgende Methoden bieten sich an.
Gegenmittel: Unperfektion
Korrigieren Sie ein paar Schulaufgaben extrem schnell und schlampig. Geben Sie außergewöhnlich gnädig gute Noten, vereinfachen Sie sich Ihren Job eine Zeit lang in geradezu unverantwortlicher Weise. Priorität hat jetzt das Thema „Aufholjagd“. Die müssen Sie erst einmal gewinnen, sonst hecheln Sie noch nach Jahren Ihrem eigenen Plan hinterher.
Gegenmittel: Helfen lassen
Heuern Sie jemanden an, der eine Zeit lang Ihren Job macht. „Geht nicht“, werden Sie sagen und viele Argumente wissen (kein Geld, keine Freunde, keine Zeit …). Probieren Sie’s trotzdem! Es gibt immer einen Weg. Umfragen haben ergeben, dass sich an Aufschieberitis leidende Menschen meist scheuen, um Hilfe zu bitten.
Gegenmittel: Neuorganisation
Strukturieren Sie Ihre großen Packen Arbeit neu. Teilen Sie Ihren riesigen Haufen in 4 kleine, menschenfreundlichere auf. Schreiben Sie an jeden ein realistisches Datum, an dem Sie ihn erledigen: 13., 16., 17., 18. September. Seien Sie kreativ. Alles, womit Sie sich selbst überlisten könnten, ist erlaubt: Vielleicht sollten Sie einen anderen Arbeitsplatz in Ihrer Wohnung ausprobieren, eine neue Arbeitsmethode, oder auch nur ein neues Schreibgerät.
Gegenmittel: Aufräumen
Dieses Ich-müsste-eigentlich-Syndrom produziert fast immer Papierstapel und anderes sichtbares Chaos. Solange Ihre horizontalen Flächen überquellen von Unerledigtem, kommen Sie aus dem Hamsterrad nicht heraus. Deswegen: Ärmel aufkrempeln, alles Überflüssige großzügig entsorgen und den Rest sinnvoll unterbringen! Zum Schluss ein paar frische Blumen, Bilder, Musik … was immer Ihnen gut tut, ist jetzt gut!
Gegenmittel: Innovation
Schaffen Sie Neues. Erfinden Sie eine Art von Schulaufgabe, die weniger Arbeit macht. „Geht nicht“ gibt’s auch hier nicht! Bilden Sie Zweiergruppen, bei der einer die Arbeit des anderen liest, wie ein Redakteur. So bewerten sich die Schüler untereinander. Hören Sie sich um, suchen Sie im Internet. Sie sind nicht der erste Mensch, der dieses Problem hat. Es gibt bestimmt längst Methoden, Tricks und Kniffe anderer.
Gegenmittel: Körper
Viel Frust und Aufschieberitis kommt durch zu wenig Bewegung und Fitness. Sie würden gern mal spazieren gehen, wandern, Rad fahren, Schwimmen … aber klar, dafür ist keine Zeit, Sie müssten ja eigentlich Ihre Arbeit machen. Noch so ein Teufelskreis, der sich allerdings relativ leicht durchbrechen lässt. Wann immer Sie einen Hänger haben – gehen Sie an die frische Luft, sofort! Nach guter körperlicher Betätigung verdoppelt sich Ihre Leistungsfähigkeit. Vielleicht hat das ein bisschen geholfen.“
Autor: Werner Tiki Küstenmacher
Mit freundlicher Genehmigung des Orgenda Verlag. Quelle: simplify-Newsletter und simplify-Homepage.